1. Art. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [108 AEUV] ist dahin auszulegen, dass eine Änderung der Finanzierungsregelung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eines Mitgliedstaats, die wie in den Ausgangsverfahren darin besteht, eine Rundfunkgebühr, die für den Besitz eines Rundfunkempfangsgeräts zu entrichten ist, durch einen Rundfunkbeitrag zu ersetzen, der insbesondere für das Innehaben einer Wohnung oder einer Betriebsstätte zu entrichten ist, keine Änderung einer bestehenden Beihilfe im Sinne dieser Vorschrift darstellt, von der die Kommission gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV zu unterrichten ist.

2. Die Art. 107 und 108 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren, die öffentlich-rechtlichen Sendern vom allgemeinen Recht abweichende Befugnisse einräumt, die es ihnen erlauben, die Zwangsvollstreckung von Forderungen aus rückständigen Rundfunkbeiträgen selbst zu betreiben, nicht entgegenstehen.

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer) vom 13. Dezember 2018(*)

In der Rechtssache C‑492/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Tübingen (Deutschland) mit Entscheidung vom 3. August 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 11. August 2017, in dem Verfahren

Südwestrundfunk

gegen

Tilo Rittinger,

Patrick Wolter,

Harald Zastera,

Dagmar Fahner,

Layla Sofan,

Marc Schulte

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Siebten Kammer T. von Danwitz in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin) sowie der Richter C. Lycourgos, E. Juhász und C. Vajda,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juli 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– des Südwestrundfunks, vertreten durch H. Kube, Hochschullehrer,

– der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Möller als Bevollmächtigte,

– der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk, H. Shev, C. Meyer-Seitz, L. Zettergren und A. Alriksson als Bevollmächtigte,

– der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Blanck-Putz, K. Herrmann, C. Valero und G. Braun als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. September 2018

folgendes

Urteil

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49, 107 und 108 AEUV, des Art. 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und des Art. 10 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) sowie der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung.

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Südwestrundfunk (im Folgenden: SWR), einer öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalt, und Tilo Rittinger, Patrick Wolter, Harald Zastera, Marc Schulte, Layla Sofan und Dagmar Fahner wegen vom SWR ausgestellter Vollstreckungstitel zur Beitreibung des von den genannten Personen nicht entrichteten Rundfunkbeitrags.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung (EG) Nr. 659/1999

3 Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [108 AEUV] (ABl. 1999, L 83, S. 1) sah vor:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

a) ‚Beihilfen‘ alle Maßnahmen, die die Voraussetzungen des Artikels [107] Absatz 1 [AEUV] erfüllen;

b) ‚bestehende Beihilfen‘

i) … alle Beihilfen, die vor Inkrafttreten des Vertrags in dem entsprechenden Mitgliedstaat bestanden, also Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die vor Inkrafttreten des Vertrags eingeführt worden sind und auch nach dessen Inkrafttreten noch anwendbar sind;

ii) genehmigte Beihilfen, also Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die von der Kommission oder vom Rat genehmigt wurden;

c) ‚neue Beihilfen‘ alle Beihilfen, also Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die keine bestehenden Beihilfen sind, einschließlich Änderungen bestehender Beihilfen.

…“

4 Die Verordnung Nr. 659/1999 wurde durch die Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ABl. 2015, L 248, S. 9) ersetzt. Diese Verordnung enthält die gleichen Definitionen wie die in der vorstehenden Randnummer dieses Urteils zitierten.

Die Verordnung (EG) Nr. 794/2004

5 Art. 4 („Anmeldung bestimmter Änderungen bestehender Beihilfen im vereinfachten Verfahren“) der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission vom 21. April 2004 zur Durchführung der Verordnung Nr. 659/1999 (ABl. 2004, L 140, S. 1, und Berichtigung ABl. 2005, L 25, S. 74) bestimmt:

„(1) Für den Zweck von Artikel 1 Buchstabe c) der Verordnung … Nr. 659/1999 ist die Änderung einer bestehenden Beihilfe jede Änderung, außer einer Änderung rein formaler oder verwaltungstechnischer Art, die keinen Einfluss auf die Würdigung der Vereinbarkeit der Beihilfemaßnahme mit dem Gemeinsamen Markt haben kann. Eine Erhöhung der Ausgangsmittel für eine bestehende Beihilfe bis zu 20 % wird jedoch nicht als Änderung einer bestehenden Beihilfe angesehen.

(2) Folgende Änderungen bestehender Beihilfen werden auf dem Anmeldeformular für das vereinfachte Verfahren in Anhang II mitgeteilt:

a) über 20 %ige Erhöhungen der Mittel für eine genehmigte Beihilferegelung;

b) die Verlängerung einer bestehenden genehmigten Beihilferegelung bis zu sechs Jahren, mit oder ohne Erhöhung der Fördermittel;

c) die Verschärfung der Kriterien für die Anwendung einer genehmigten Beihilferegelung, die Herabsetzung der Beihilfeintensität oder der förderfähigen Ausgaben.

Die Kommission setzt alles daran, für die auf dem vereinfachten Anmeldeformular mitgeteilten Beihilfen innerhalb eines Monats eine Entscheidung zu erlassen.

…“

Deutsches Recht

6 Am 31. August 1991 schlossen die Länder den Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (GBI. 1991, S. 745), zuletzt geändert durch den 19. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 3. Dezember 2015 (GBI. 2016, S. 126) (im Folgenden: Rundfunkstaatsvertrag). § 12 („Funktionsgerechte Finanzausstattung, Grundsatz des Finanzausgleichs“) des Rundfunkstaatsvertrags sieht vor:

„(1) Die Finanzausstattung hat den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in die Lage zu versetzen, seine verfassungsmäßigen und gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen; sie hat insbesondere den Bestand und die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu gewährleisten.

(2) Der Finanzausgleich unter den Landesrundfunkanstalten ist Bestandteil des Finanzierungssystems der ARD; er stellt insbesondere eine funktionsgerechte Aufgabenerfüllung der Anstalten Saarländischer Rundfunk und Radio Bremen sicher. Der Umfang der Finanzausgleichsmasse und ihre Anpassung an den Rundfunkbeitrag bestimmen sich nach dem Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag.“

7 In § 13 („Finanzierung“) des Rundfunkstaatsvertrags heißt es:

„Der öffentlich-rechtliche Rundfunk finanziert sich durch Rundfunkbeiträge, Einnahmen aus Rundfunkwerbung und sonstigen Einnahmen; vorrangige Finanzierungsquelle ist der Rundfunkbeitrag. Programme und Angebote im Rahmen seines Auftrags gegen besonderes Entgelt sind unzulässig; …“

8 § 14 („Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“) des Rundfunkstaatsvertrags bestimmt:

„(1) Der Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird regelmäßig entsprechend den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, einschließlich der damit verbundenen Rationalisierungspotentiale, auf der Grundlage von Bedarfsanmeldungen der in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, des ZDF und der Körperschaft des öffentlichen Rechts ‚Deutschlandradio‘ durch die unabhängige Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) geprüft und ermittelt.

(2) Bei der Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs sind insbesondere zugrunde zu legen

1. die wettbewerbsfähige Fortführung der bestehenden Rundfunkprogramme sowie die durch Staatsvertrag aller Länder zugelassenen Fernsehprogramme (bestandsbezogener Bedarf),

2. nach Landesrecht zulässige neue Rundfunkprogramme, die Teilhabe an den neuen rundfunktechnischen Möglichkeiten in der Herstellung und zur Verbreitung von Rundfunkprogrammen sowie die Möglichkeit der Veranstaltung neuer Formen von Rundfunk (Entwicklungsbedarf),

3. die allgemeine Kostenentwicklung und die besondere Kostenentwicklung im Medienbereich,

4. die Entwicklung der Beitragserträge, der Werbeerträge und der sonstigen Erträge,

5. die Anlage, Verzinsung und zweckbestimmte Verwendung der Überschüsse, die dadurch entstehen, dass die jährlichen Gesamterträge der in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, des ZDF oder des Deutschlandradios die Gesamtaufwendungen für die Erfüllung ihres Auftrags übersteigen.

(4) Die Beitragsfestsetzung erfolgt durch Staatsvertrag.“

9 Das Land Baden-Württemberg (Deutschland) hat mit dem Baden-Württembergischen Gesetz vom 18. Oktober 2011 zur Geltung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags, zuletzt geändert durch Art. 4 des Neunzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 3. Dezember 2015 (im Folgenden: Rundfunkbeitragsgesetz), den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag umgesetzt, der die Abschaffung der früheren Gebühr zugunsten des Rundfunkbeitrags zum 31. Dezember 2012 vorsah. Dieses Gesetz regelt die Erhebung dieses Beitrags, dessen Zahlung für die Beitragsschuldner am 1. Januar 2013 verpflichtend geworden ist. In § 1 des Rundfunkbeitragsgesetzes heißt es:

„Der Rundfunkbeitrag dient der funktionsgerechten Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Sinne von § 12 Absatz 1 des Rundfunkstaatsvertrages sowie der Finanzierung der Aufgaben nach § 40 des Rundfunkstaatsvertrages.“

10 § 2 („Rundfunkbeitrag im privaten Bereich“) des Rundfunkbeitragsgesetzes bestimmt:

„(1) Im privaten Bereich ist für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten.

(2) Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die

1. dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder

2. im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist.

(3) Mehrere Beitragsschuldner haften als Gesamtschuldner entsprechend § 44 der Abgabenordnung. …

(4) Ein Rundfunkbeitrag ist nicht zu entrichten von Beitragsschuldnern, die aufgrund Artikel 2 vom 6. August 1964 zu dem Wiener Übereinkommen vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen (BGBl. 1964 II S. 957) oder entsprechender Rechtsvorschriften Vorrechte genießen.“

11 § 10 des Rundfunkbeitragsgesetzes sieht vor:

„(1) Das Aufkommen aus dem Rundfunkbeitrag steht der Landesrundfunkanstalt und in dem im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag bestimmten Umfang dem Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF), dem Deutschlandradio sowie der Landesmedienanstalt zu, in deren Bereich sich die Wohnung oder die Betriebsstätte des Beitragsschuldners befindet oder das Kraftfahrzeug zugelassen ist.

(5) Rückständige Rundfunkbeiträge werden durch die zuständige Landesrundfunkanstalt festgesetzt. …

(6) Festsetzungsbescheide werden im Verwaltungsvollstreckungsverfahren vollstreckt. …

(7) Jede Landesrundfunkanstalt nimmt die ihr nach diesem Staatsvertrag zugewiesenen Aufgaben und die damit verbundenen Rechte und Pflichten ganz oder teilweise durch die im Rahmen einer nichtrechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft betriebene Stelle der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten selbst wahr. Die Landesrundfunkanstalt ist ermächtigt, einzelne Tätigkeiten bei der Durchführung des Beitragseinzugs und der Ermittlung von Beitragsschuldnern auf Dritte zu übertragen und das Nähere durch die Satzung nach § 9 Absatz 2 zu regeln. …“

12 Auch die Regelung der Modalitäten der Beitreibung fällt in die Kompetenz der Länder; das Land Baden-Württemberg erließ diesbezüglich am 12. März 1974 dasVerwaltungsvollstreckungsgesetz für Baden-Württemberg (Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz).

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

13 Die Kläger der Ausgangsverfahren haben als Beitragsschuldner den Rundfunkbeitrag nicht oder nur zum Teil gezahlt.

14 In den Jahren 2015 und 2016 erstellte der SWR, die zuständige Landesrundfunkanstalt, gegen die Schuldner dieses Beitrags Vollstreckungstitel zur Beitreibung der nicht gezahlten Beträge für den Zeitraum zwischen Januar 2013 und Ende 2016.

15 Da die Beitragsschuldner den fraglichen Beitrag weiterhin nicht zahlten, leitete der SWR gestützt auf diese Titel die Zwangsbeitreibung seiner Forderungen ein.

16 Aus dem Vorlagebeschluss geht hervor, dass die Schuldner vor den für sie zuständigen Gerichten, nämlich dem Amtsgericht Reutlingen, dem Amtsgericht Tübingen bzw. dem Amtsgericht Calw, Rechtsmittel gegen die sie betreffenden Vollstreckungsmaßnahmen eingelegt haben.

17 Das Amtsgericht Tübingen hat den drei von den betreffenden Schuldnern bei ihm eingelegten Rechtsmitteln stattgegeben. Die beim Amtsgericht Reutlingen und beim Amtsgericht Calw eingelegten Rechtsmittel wurden zurückgewiesen.

18 Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt sich, dass die Parteien, deren Rechtsmittel zurückgewiesen wurden, gegen die sie betreffenden zurückweisenden Entscheidungen jeweils Beschwerde beim vorlegenden Gericht eingelegt haben.

19 Dieses Gericht, das die Rechtssachen verbunden hat, gibt an, dass es in den Ausgangsverfahren primär um vollstreckungsrechtliche Fragen gehe. Diese Fragen seien aber eng mit den anwendbaren materiellen Regelungen verbunden.

20 Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, dass die fraglichen gesetzlichen Bestimmungen Unionsrecht verletzten.

21 Erstens führt es aus, dass der deutsche öffentlich-rechtliche Rundfunk zum Teil durch den Rundfunkbeitrag finanziert werde. Dieser Beitrag sei unter Bußgeldandrohung grundsätzlich von jedem in Deutschland wohnenden Erwachsenen zu entrichten und fließe im Land Baden-Württemberg insbesondere an die öffentlich-rechtlichen Sender SWR und ZDF. Dieser Beitrag stelle eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV zugunsten dieser Sender dar, von der die Kommission gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV hätte unterrichtet werden müssen.

22 Die früher geltende Rundfunkgebühr, die für den Besitz eines Empfangsgeräts zu entrichten gewesen sei, sei mit Inkrafttreten der Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags zum 1. Januar 2013 erheblich geändert worden, da sie fortan von jedem Wohnungsinhaber geschuldet werde. Die Finanzierungsregelung für den deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk sei im Rahmen der fortlaufenden Überprüfung bestehender Beihilfen in den Mitgliedstaaten gemäß Art. 108 Abs. 1 AEUV von der Kommission geprüft worden. Insoweit geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass die Kommission im Rahmen ihrer Entscheidung vom 24. April 2007 K(2007) 1761 endg., Staatliche Beihilfe E 3/2005 (ex CP 2/2003, CP 232/2002, CP 43/2003, CP 243/2004 und CP 195/2004) – Die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland (im Folgenden: Entscheidung vom 24. April 2007) in Bezug auf dieses System der Auffassung gewesen ist, dass die Rundfunkgebühr als bestehende Beihilfe einzustufen sei. Deshalb ist das vorlegende Gericht der Ansicht, dass das neue Finanzierungssystem wegen der erheblichen Änderungen bei der Rundfunkfinanzierung, die das Rundfunkbeitragsgesetz gebracht habe, der Kommission hätte gemeldet werden müssen. Außerdem sei die staatliche Beihilfe, die sich hieraus ergebe, nicht gemäß Art. 107 Abs. 3 AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar.

23 Zweitens verstoße der Rundfunkbeitrag gegen Unionsrecht, da die Einnahmen aus diesem Beitrag der Einführung eines neuen terrestrischen digitalen Übertragungssystems, nämlich DVB-T2, dienten, dessen Nutzung durch ausländische Sender nicht vorgesehen sei. Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ist dieser Sachverhalt dem Sachverhalt in der Rechtssache vergleichbar, in der das Urteil vom 15. September 2011, Deutschland/Kommission (C‑544/09 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:584), betreffend die Umstellung von analoger zu digitaler Übertragungstechnik ergangen ist.

24 Das vorlegende Gericht meint, dass der in den Ausgangsverfahren in Rede stehende Beitrag tatsächlich einer Zwecksteuer gleichzusetzen sei. Die Ersetzung der früher erhobenen Rundfunkgebühr durch einen personenbezogenen Rundfunkbeitrag sei eine wesentliche Änderung der Finanzierungsregelung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gewesen. Im Unterschied zur früheren Finanzierungsregelung stehe der Zahlung dieses Beitrags keine individuelle Gegenleistung für die Beitragsschuldner gegenüber. Die gesamte erwachsene Bevölkerung mit einer Wohnung in Deutschland trage somit, vergleichbar dem Steuerrecht, zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei. Es handele sich um eine überwiegende Staatsfinanzierung im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Urteil vom 13. Dezember 2007, Bayerischer Rundfunk u. a. (C‑337/06, EU:C:2007:786). Die gegenwärtige Beitragsregelung stelle somit eine aus Steuern finanzierte unzulässige Beihilfe bei der Einführung des DVB-T2-Systems dar.

25 Drittens werde den öffentlich-rechtlichen Sendern durch die geltende Regelung eine Reihe von den privaten Sendern nicht zukommenden Vorteilen gewährt, die einen wirtschaftlichen Vorteil beinhalteten und wegen des allgemeinen Charakters der Rundfunkbeitragspflicht zugleich eine staatliche Beihilfe bildeten. Diese Vorteile lägen insbesondere in den vom allgemeinen Recht abweichenden Bestimmungen, die es den öffentlich-rechtlichen Sendern erlaubten, sich selbst die für die Zwangsvollstreckung der Forderungen erforderlichen Vollstreckungstitel zu schaffen. Diese Selbsttitulierung sei schneller, einfacher und billiger als ein gerichtliches Verfahren zur Eintreibung von Forderungen. Zudem führe diese Methode zu Nachteilen beim Verbraucher, da dessen Möglichkeiten zur Beantragung gerichtlichen Rechtsschutzes und richterlicher Prüfung vor Titulierung und Vollstreckung ausgeschlossen bzw. erheblich erschwert würden.

26 Viertens beeinträchtige das Rundfunkbeitragsgesetz, insbesondere seine §§ 2 und 3, die in Art. 11 der Charta und in Art. 10 EMRK verankerte Informationsfreiheit. Der Rundfunkbeitrag sei bewusst als Hürde vor der Inanspruchnahme jeglicher Art von Information über Satellit, Kabel oder das Mobilfunknetz aufgebaut. Der Rundfunkbeitrag sei von einer Person unabhängig davon zu entrichten, ob sie tatsächlich die Programme der öffentlich-rechtlichen Sender nutze.

27 Fünftens sei der Rundfunkbeitrag mit der Niederlassungsfreiheit unvereinbar. Ferner beeinträchtige er den Gleichbehandlungsgrundsatz und diskriminiere Frauen. Zu dem letztgenannten Punkt führt das vorlegende Gericht aus, der Beitrag sei für jede Wohnung zu entrichten, unabhängig von der Zahl der dort wohnenden Personen, so dass es bei der Höhe des von einer erwachsenen Person zu zahlenden Beitrags je nach der Anzahl der Personen, aus denen der Haushalt bestehe, erhebliche Unterschiede gebe. Alleinerziehende, bei denen es sich mehrheitlich um Frauen handele, würden gegenüber in Wohngemeinschaften lebenden Erwachsenen benachteiligt.

28 Unter diesen Umständen hat das Landgericht Tübingen beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist das Rundfunkbeitragsgesetz mit Unionsrecht unvereinbar, weil der dort grundsätzlich seit 1. Januar 2013 von jedem im deutschen Bundesland Baden-Württemberg wohnenden Erwachsenen voraussetzungslos zugunsten der Sendeanstalten SWR und ZDF erhobene Beitrag eine gegen Unionsrecht verstoßende bevorzugende Beihilfe zugunsten ausschließlich dieser öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gegenüber privaten Rundfunkanstalten darstellt? Sind die Art. 107 und 108 AEUV so auszulegen, dass das Gesetz betreffend den Rundfunkbeitrag der Zustimmung der Kommission bedurft hätte und mangels Zustimmung unwirksam ist?

2. Ist Art. 107/108 AEUV so auszulegen, dass er die im Rundfunkbeitragsgesetz festgesetzte Regelung erfasst, nach der grundsätzlich von jedem in Baden-Württemberg wohnenden Erwachsenen voraussetzungslos ein Beitrag zugunsten ausschließlich behördlicher/öffentlich-rechtlicher Sender erhoben wird, weil dieser Beitrag eine gegen Unionsrecht verstoßende bevorzugende Beihilfe zur technischen Ausgrenzung von Sendern aus EU-Staaten beinhaltet, da die Beiträge dazu verwendet werden, einen konkurrierenden Übertragungsweg zu errichten (DVB-T2 – Monopol), dessen Nutzung durch ausländische Sender nicht vorgesehen ist? Ist Art. 107/108 AEUV so auszulegen, dass er auch nicht unmittelbare Geldzuwendungen, sondern auch andere wirtschaftlich relevante Privilegierungen (Titulierungsrecht, Befugnis zum Handeln sowohl als wirtschaftliches Unternehmen als auch als Behörde, Besserstellung bei der Berechnung der Schulden) erfasst?

3. Ist es mit dem Gleichbehandlungsgebot und dem Verbot privilegierender Beihilfen vereinbar, wenn aufgrund eines nationalen, baden-württembergischen Gesetzes, ein deutscher Fernsehsender, der öffentlich-rechtlich organisiert und als Behörde ausgestaltet ist, zugleich aber im Werbemarkt mit privaten Sendern konkurriert, dadurch gegenüber diesen privilegiert wird, dass er nicht wie die privaten Wettbewerber seine Forderungen gegenüber Zuschauern beim ordentlichen Gericht titulieren lassen muss, bevor er zwangsvollstrecken kann, sondern selbst ohne Gericht einen Titel schaffen darf, der gleichermaßen zur Zwangsvollstreckung berechtigt?

4. Ist es mit Art. 10 EMRK und Art. 11 der Charta vereinbar, dass ein Mitgliedstaat in nationalem, baden-württembergischen Gesetz vorsieht, dass ein Fernsehsender, der als Behörde ausgestaltet ist, einen Beitrag zur Finanzierung gerade dieses Senders von jedem im Sendegebiet wohnhaften Erwachsenen bußgeldbewehrt verlangen darf, unabhängig davon, ob er überhaupt ein Empfangsgerät besitzt oder nur andere, nämlich ausländische oder andere, private Sender nutzt?

5. Ist das Rundfunkbeitragsgesetz, insbesondere die §§ 2 und 3, mit dem unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot und Diskriminierungsverbot vereinbar, wenn der zur Finanzierung eines öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders von jedem Bewohner voraussetzungslos zu zahlende Beitrag eine Alleinerziehende pro Kopf mit dem Vielfachen dessen belastet, was ein Mitglied einer Wohngemeinschaft schuldet? Ist die Richtlinie 2004/113/EG [des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (ABl. 2004, L 373, S. 37)] so auszulegen, dass auch der streitgegenständliche Beitrag erfasst wird und dass eine mittelbare Benachteiligung ausreicht, wenn aufgrund der realen Begebenheiten zu 90 % Frauen höher belastet werden?

6. Ist das Rundfunkbeitragsgesetz, insbesondere die §§ 2 und 3, mit dem unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot und Diskriminierungsverbot vereinbar, wenn der zur Finanzierung eines öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders von jedem Bewohner voraussetzungslos zu zahlende Beitrag bei Personen, die einen zweiten Wohnsitz aus beruflichen Gründen benötigen, doppelt so hoch ausfällt wie bei anderen Berufstätigen?

7. Ist das Rundfunkbeitragsgesetz, insbesondere die §§ 2 und 3, mit dem unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot, dem unionsrechtlichen Diskriminierungsverbot und der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit vereinbar, wenn der zur Finanzierung eines öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders von jedem Bewohner voraussetzungslos zu zahlende Beitrag bei Personen so ausgestaltet ist, dass ein Deutscher bei gleicher Empfangsmöglichkeit unmittelbar vor der Grenze zum EU-Nachbarstaat ausschließlich in Abhängigkeit von der Lage des Wohnsitzes den Beitrag schuldet, der Deutsche unmittelbar jenseits der Grenze aber keinen Beitrag schuldet, ebenso der ausländische EU-Bürger, der sich aus beruflichen Gründen unmittelbar jenseits einer EU-Binnengrenze niederlassen muss, mit dem Beitrag belastet wird, der EU-Bürger unmittelbar vor der Grenze jedoch nicht, auch wenn beide am Empfang des deutschen Senders nicht interessiert sind?

Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

29 Der SWR macht geltend, dass nach den maßgebenden innerstaatlichen Verfahrensvorschriften der vorlegende Richter, der ein Einzelrichter sei, die Verfahren einem Kollegium innerhalb des vorlegenden Gerichts hätte übertragen müssen. Er sei daher nicht zur Vorlage einer Frage an den Gerichtshof zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV berechtigt gewesen.

30 Hierzu genügt es, darauf hinzuweisen, dass nach Art. 267 Abs. 2 AEUV, wenn in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht eine Frage gestellt wird, die Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens sein kann, dieses Gericht die Frage dem Gerichtshof vorlegen kann, wenn es eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich hält.

31 Im Hinblick auf das Funktionieren des durch Art. 267 AEUV geschaffenen Systems der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten und den Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts muss es dem nationalen Gericht freistehen, in jedem Moment des Verfahrens, den es für geeignet hält, dem Gerichtshof jede Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, die es für erforderlich hält (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Juni 2015, Kernkraftwerke Lippe-Ems, C‑5/14, EU:C:2015:354, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32 Außerdem ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof nicht zu prüfen hat, ob die Vorlageentscheidung den nationalen Gerichtsverfassungs- und Prozessvorschriften entspricht (Beschluss vom 6. September 2018, Di Girolamo, C‑472/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:684, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33 Das Vorbringen des SWR in Bezug auf einen behaupteten Verstoß gegen nationale Gerichtsverfassungsvorschriften vermag somit der Vorlage eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof durch das vorlegende Gericht gemäß Art. 267 AEUV nicht entgegenzustehen.

34 Das Vorabentscheidungsersuchen ist somit zulässig.

Zu den Vorlagefragen

Zulässigkeit der Fragen

35 Der SWR und die deutsche Regierung machen im Wesentlichen geltend, dass in den meisten der gestellten Fragen kein Zusammenhang zwischen der Auslegung des Unionsrechts, um die das vorlegende Gericht ersucht, und der Realität oder dem Gegenstand der Ausgangsverfahren bestehe und dass das aufgeworfene Problem hypothetischer Natur sei. Allein die Fragen, die die Vorrechte der öffentlich-rechtlichen Sender bei der Zwangsvollstreckung berührten, seien insoweit erheblich.

36 Im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten ist es allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen. Betreffen daher die vorgelegten Fragen die Auslegung des Unionsrechts, so ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden (Urteil vom 26. Juli 2017, Persidera, C‑112/16, EU:C:2017:597, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37 Ungeachtet dessen kann der Gerichtshof jedoch nicht über eine von einem nationalen Gericht zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage befinden, wenn offensichtlich ist, dass die Auslegung einer Unionsvorschrift, um die das vorlegende Gericht ersucht, in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 31. Januar 2008, Centro Europa 7, C‑380/05, EU:C:2008:59, Rn. 53).

38 Es ist darauf hinzuweisen, dass die Notwendigkeit, zu einer dem nationalen Gericht dienlichen Auslegung des Unionsrechts zu gelangen, es erforderlich macht, dass dieses Gericht die Anforderungen an den Inhalt eines Vorabentscheidungsersuchens, die ausdrücklich in Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, von dem das vorlegende Gericht Kenntnis haben sollte, aufgeführt sind, sorgfältig beachtet (Urteil vom 26. Juli 2017, Persidera, C‑112/16, EU:C:2017:597, Rn. 27). Auf diese Anforderungen wird im Übrigen in den Empfehlungen des Gerichtshofs an die nationalen Gerichte bezüglich der Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen (ABl. 2018, C 257, S. 1) hingewiesen.

39 So ist es – nach Art. 94 Buchst. c der Verfahrensordnung – unerlässlich, dass die Vorlageentscheidung selbst eine Darstellung der Gründe enthält, aus denen das vorlegende Gericht Zweifel bezüglich der Auslegung oder der Gültigkeit bestimmter Vorschriften des Unionsrechts hat, und den Zusammenhang angibt, den es zwischen diesen Vorschriften und dem auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Recht herstellt. Wie in Art. 94 Buchst. a der Verfahrensordnung vorgesehen, ist es ebenfalls unerlässlich, dass die Vorlageentscheidung selbst zumindest eine Darstellung der tatsächlichen Umstände, auf denen die Fragen beruhen, enthält. Diese Erfordernisse gelten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ganz besonders im Bereich des Wettbewerbs, der durch komplexe tatsächliche und rechtliche Verhältnisse gekennzeichnet ist (Urteil vom 26. Juli 2017, Persidera, C‑112/16, EU:C:2017:597, Rn. 28 und 29).

40 Im vorliegenden Fall ersucht das vorlegende Gericht erstens mit seinen ersten drei Fragen um die Auslegung der Art. 107 und 108 AEUV, um festzustellen, ob die Kommission von der Änderung der Finanzierungsregelung für den deutschen Rundfunk durch das Rundfunkbeitragsgesetz gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV hätte unterrichtet werden müssen und ob die Art. 107 und 108 AEUV einer solchen Regelung entgegenstehen.

41 Entgegen der vom SWR und der deutschen Regierung vertretenen Auffassung schließt zum einen der Umstand, dass es in den Ausgangsverfahren um die Eintreibung des Rundfunkbeitrags geht, nicht aus, dass das vorlegende Gericht den in Art. 107 Abs. 1 AEUV enthaltenen Begriff der Beihilfe auszulegen und anzuwenden haben kann, insbesondere um festzustellen, ob dieser Rundfunkbeitrag dem Verfahren der vorherigen Kontrolle gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV hätte unterworfen werden müssen, und ob gegebenenfalls der betreffende Mitgliedstaat dieser Verpflichtung nachgekommen ist.

42 Aus der unmittelbaren Wirkung von Art. 108 Abs. 3 AEUV ergibt sich nämlich, dass die nationalen Gerichte zugunsten der Einzelnen nach ihrem nationalen Recht sämtliche Konsequenzen aus einem Verstoß gegen diese Bestimmung sowohl bezüglich der Gültigkeit der Durchführungsakte als auch bezüglich der Beitreibung der unter Verstoß gegen diese Bestimmung gewährten finanziellen Unterstützungen oder eventueller vorläufiger Maßnahmen ziehen müssen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Juli 1996, SFEI u. a., C‑39/94, EU:C:1996:285, Rn. 39 und 40, vom 16. April 2015, Trapeza Eurobank Ergasias, C‑690/13, EU:C:2015:235, Rn. 52, sowie vom 11. November 2015, Klausner Holz Niedersachsen, C‑505/14, EU:C:2015:742, Rn. 23 und 24).

43 Außerdem ist es Sache des Gerichtshofs, dem vorlegenden Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die es diesem ermöglichen, für die Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtssache über die Frage der Vereinbarkeit einer nationalen Maßnahme mit diesem Recht zu befinden. Was staatliche Beihilfen anbelangt, kann er dem vorlegenden Gericht vor allem die Hinweise zur Auslegung geben, aufgrund deren dieses feststellen kann, ob eine nationale Maßnahme als staatliche Beihilfe im Sinne des Unionsrechts angesehen werden kann (Urteil vom 10. Juni 2010, Fallimento Traghetti del Mediterraneo, C‑140/09, EU:C:2010:335, Rn. 24) oder gegebenenfalls ob diese Maßnahme eine bestehende Beihilfe oder eine neue Beihilfe darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. März 2015, OTP Bank, C‑672/13, EU:C:2015:185, Rn. 60).

44 Im Hinblick auf den Gegenstand der Ausgangsverfahren scheint daher den ersten drei Fragen nicht offensichtlich jede Relevanz zu fehlen, da sie auf die Auslegung der Art. 107 und 108 AEUV abzielen.

45 Zum anderen ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht mit dem ersten Teil der zweiten Frage spezieller nach der Vereinbarkeit des in Rede stehenden Rundfunkbeitrags mit den Art. 107 und 108 AEUV fragt, soweit dieser Beitrag das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe zur Einführung des Übertragungssystems nach der DVB-T2-Norm beinhalte, dessen Nutzung durch in anderen Mitgliedstaaten der Union ansässige Rundfunksender nicht vorgesehen sei.

46 Der Vorlagebeschluss enthält jedoch keine tatsächlichen oder rechtlichen Angaben, die es dem Gerichtshof erlauben würden, die diesbezüglichen Fragen des vorlegenden Gerichts zweckdienlich zu beantworten. Insbesondere hat dieses Gericht zwar ausgeführt, dass der Rundfunkbeitrag die Finanzierung dieses Systems allein zugunsten der Sender in Deutschland ermöglicht habe, doch legt es weder die Finanzierungsbedingungen für dieses System näher dar noch führt es aus, warum andere Rundfunksender von seiner Nutzung ausgeschlossen sein sollen.

47 Der erste Teil der zweiten Frage ist daher unzulässig. Im Übrigen sind die ersten drei Fragen für zulässig zu erklären.

48 Mit seinen Fragen vier bis sieben ersucht das vorlegende Gericht zweitens den Gerichtshof um die Auslegung des in Art. 11 der Charta und Art. 10 EMRK statuierten Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information, der Bestimmungen der Richtlinie 2004/113, der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung sowie der Niederlassungsfreiheit.

49 Das vorlegende Gericht erläutert allerdings nicht, welchen Zusammenhang es zwischen den Unionsrechtsvorschriften, auf die es mit seinen Fragen abzielen möchte, und den Ausgangsverfahren herstellt. Insbesondere hat es keinen konkreten Gesichtspunkt angeführt, der die Annahme erlaubte, dass sich die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Personen in einer der von diesen Fragen erfassten Situationen befänden.

50 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt aber die Rechtfertigung für ein Vorabentscheidungsersuchen nicht in der Abgabe von Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen, sondern darin, dass das Ersuchen für die tatsächliche Entscheidung eines Rechtsstreits über das Unionsrecht erforderlich ist (vgl. Urteil vom 21. Dezember 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a., C‑203/15 und C‑698/15, EU:C:2016:970, Rn. 130 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51 Folglich sind die Fragen vier bis sieben unzulässig.

52 Nach alledem sind nur die erste Frage, der zweite Teil der zweiten Frage und die dritte Frage zulässig.

In der Sache

Zur ersten Frage

53 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass es, wie der Generalanwalt in Nr. 45 seiner Schlussanträge bemerkt hat, unstreitig ist, dass durch den Erlass des Rundfunkbeitragsgesetzes eine bestehende Beihilfe im Sinne von Art. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 659/1999 geändert wurde.

54 Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 659/1999 dahin auszulegen ist, dass eine Änderung der Finanzierungsregelung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eines Mitgliedstaats, die wie in den Ausgangsverfahren darin besteht, eine Rundfunkgebühr, die für den Besitz eines Rundfunkempfangsgeräts zu entrichten ist, durch einen Rundfunkbeitrag zu ersetzen, der insbesondere für das Innehaben einer Wohnung oder einer Betriebsstätte zu entrichten ist, eine Änderung einer bestehenden Beihilfe im Sinne dieser Vorschrift darstellt, von der die Kommission gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV zu unterrichten ist.

55 Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 794/2004 ist für den Zweck von Art. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 659/1999 die Änderung einer bestehenden Beihilfe jede Änderung, außer einer Änderung rein formaler oder verwaltungstechnischer Art, die keinen Einfluss auf die Würdigung der Vereinbarkeit der Beihilfemaßnahme mit dem Gemeinsamen Markt haben kann. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 794/2004 stellt insoweit klar, dass eine Erhöhung der Ausgangsmittel für eine bestehende Beihilfe bis zu 20 % nicht als Änderung einer bestehenden Beihilfe angesehen wird.

56 Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, ist daher festzustellen, ob das Rundfunkbeitragsgesetz dadurch, dass es den Entstehungsgrund für die Pflicht zur Zahlung des der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland dienenden Beitrags ändert, indem es vorsieht, dass dieser Beitrag nicht mehr für den Besitz eines Empfängers zu entrichten ist, sondern insbesondere für das Innehaben einer Wohnung, eine Änderung einer bestehenden Beihilfe im Sinne der in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils angeführten Bestimmungen darstellt.

57 Diese Frage läuft letztlich auf die Prüfung hinaus, ob der Erlass des Rundfunkbeitragsgesetzes eine wesentliche Änderung der bestehenden Beihilfe mit sich bringt, die Gegenstand der Entscheidung vom 24. April 2007 gewesen ist, oder ob dieses Gesetz nur eine Änderung rein formaler oder verwaltungstechnischer Art vorsieht, die keinen Einfluss auf die Vereinbarkeit der Beihilfemaßnahme mit dem Gemeinsamen Markt haben kann.

58 Wie der SWR, die deutsche und die schwedische Regierung sowie die Kommission in ihren dem Gerichtshof vorgelegten Stellungnahmen geltend gemacht haben und wie sich darüber hinaus aus dem Inhalt der dem Gerichtshof zur Verfügung stehenden Akten ergibt, ist die Ersetzung der Rundfunkgebühr durch den Rundfunkbeitrag nur eine Änderung der den Gegenstand der Entscheidung vom 24. April 2007 bildenden bestehenden Beihilfe, die nicht als wesentlich qualifiziert werden kann.

59 Die Änderung des Entstehungsgrunds für die Rundfunkbeitragspflicht betrifft nämlich nicht die wesentlichen Bestandteile der Finanzierungsregelung für den deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wie sie von der Kommission im Rahmen der Entscheidung vom 24. April 2007 beurteilt worden sind.

60 So ist es erstens unstreitig, dass das Rundfunkbeitragsgesetz nicht das Ziel der Finanzierungsregelung für den deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk geändert hat, da der Rundfunkbeitrag weiterhin, wie die Rundfunkgebühr, an deren Stelle er getreten ist, der Finanzierung der öffentlichen Dienstleistung Rundfunk dient.

61 Zweitens ist ebenfalls unstreitig, dass der Kreis der von dieser Regelung Begünstigten identisch ist mit dem der früheren Beihilfeempfänger.

62 Drittens geht aus den in die Debatte vor dem Gerichtshof eingebrachten Gesichtspunkten nicht hervor, dass das Rundfunkbeitragsgesetz den öffentlichen Auftrag an die öffentlich-rechtlichen Sender oder die Tätigkeiten dieser Sender, die mit dem Rundfunkbeitrag subventioniert werden können, geändert hätte.

63 Viertens hat das Rundfunkbeitragsgesetz den Entstehungsgrund für die Beitragspflicht geändert.

64 Allerdings zielte zum einen, wie insbesondere der SWR, die deutsche Regierung und die Kommission ausgeführt haben, die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende Änderung im Wesentlichen darauf ab, die Voraussetzungen für die Erhebung des Rundfunkbeitrags vor dem Hintergrund der technologischen Entwicklung in Bezug auf den Empfang der Programme der öffentlich-rechtlichen Sender zu vereinfachen.

65 Zum anderen hat, wie die deutsche Regierung und die Kommission in ihren vor dem Gerichtshof abgegebenen Erklärungen ausgeführt haben und der Generalanwalt in Nr. 55 seiner Schlussanträge festgestellt hat, die Ersetzung der Rundfunkgebühr durch den Rundfunkbeitrag zu keiner wesentlichen Erhöhung der Vergütung geführt, die die öffentlich-rechtlichen Sender erhalten, um die Kosten zu decken, die mit der Erfüllung ihres öffentlichen Auftrags verbunden sind.

66 Unter diesen Umständen ist unter Berücksichtigung des Inhalts der dem Gerichtshof zur Verfügung stehenden Akten nicht dargetan worden, dass das Rundfunkbeitragsgesetz eine wesentliche Änderung der Regelung zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland mit sich gebracht hätte, die es erforderlich machte, die Kommission gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV von seinem Erlass zu unterrichten.

67 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 659/1999 dahin auszulegen ist, dass eine Änderung der Finanzierungsregelung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eines Mitgliedstaats, die wie in den Ausgangsverfahren darin besteht, eine Rundfunkgebühr, die für den Besitz eines Rundfunkempfangsgeräts zu entrichten ist, durch einen Rundfunkbeitrag zu ersetzen, der insbesondere für das Innehaben einer Wohnung oder einer Betriebsstätte zu entrichten ist, keine Änderung einer bestehenden Beihilfe im Sinne dieser Vorschrift darstellt, von der die Kommission gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV zu unterrichten ist.

Zum zweiten Teil der zweiten Frage und zur dritten Frage

68 Mit dem zweiten Teil seiner zweiten Frage und mit seiner dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 107 und 108 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren entgegenstehen, die öffentlich-rechtlichen Sendern vom allgemeinen Recht abweichende Befugnisse einräumt, die es ihnen erlauben, die Zwangsvollstreckung von Forderungen aus rückständigen Rundfunkbeiträgen selbst zu betreiben.

69 Wie der SWR und die deutsche Regierung in ihren vor dem Gerichtshof abgegebenen Erklärungen insoweit hervorgehoben haben, wurden die hoheitlichen Vorrechte, die die öffentlich-rechtlichen Sender im Bereich der Beitreibung der Rundfunkgebühr genießen, von der Kommission bei ihrer Prüfung der Finanzierungsregelung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, und insbesondere dieser Gebühr, im Rahmen der Entscheidung vom 24. April 2007 berücksichtigt. Im Licht dieser Entscheidung sind diese Vorrechte, die gerade auf die Beitreibung der Rundfunkgebühr abzielen, als Bestandteil der bestehenden Beihilfe anzusehen, die diese Gebühr darstellt.

70 Wie der Generalanwalt in Nr. 87 seiner Schlussanträge festgestellt hat, enthält das Rundfunkbeitragsgesetz in Bezug auf diese Vorrechte keine Neuerungen.

71 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass das Rundfunkbeitragsgesetz an der Beurteilung, die die Kommission im Rahmen der Entscheidung vom 24. April 2007 in Bezug auf diese Vorrechte vorgenommen hat, nichts ändern kann.

72 Außerdem sind die hoheitlichen Vorrechte, die die öffentlich-rechtlichen Sender im Bereich der Beitreibung der Rundfunkgebühr genießen, als ihrem öffentlichen Auftrag inhärenter Aspekt anzusehen, wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt und der Generalanwalt in Nr. 84 seiner Schlussanträge festgestellt hat.

73 Somit ist auf den zweiten Teil der zweiten Frage und die dritte Frage zu antworten, dass die Art. 107 und 108 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren, die öffentlich-rechtlichen Sendern vom allgemeinen Recht abweichende Befugnisse einräumt, die es ihnen erlauben, die Zwangsvollstreckung von Forderungen aus rückständigen Rundfunkbeiträgen selbst zu betreiben, nicht entgegenstehen.

Kosten

74 Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

1. Art. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [108 AEUV] ist dahin auszulegen, dass eine Änderung der Finanzierungsregelung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eines Mitgliedstaats, die wie in den Ausgangsverfahren darin besteht, eine Rundfunkgebühr, die für den Besitz eines Rundfunkempfangsgeräts zu entrichten ist, durch einen Rundfunkbeitrag zu ersetzen, der insbesondere für das Innehaben einer Wohnung oder einer Betriebsstätte zu entrichten ist, keine Änderung einer bestehenden Beihilfe im Sinne dieser Vorschrift darstellt, von der die Kommission gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV zu unterrichten ist.

2. Die Art. 107 und 108 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren, die öffentlich-rechtlichen Sendern vom allgemeinen Recht abweichende Befugnisse einräumt, die es ihnen erlauben, die Zwangsvollstreckung von Forderungen aus rückständigen Rundfunkbeiträgen selbst zu betreiben, nicht entgegenstehen.

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