Der Begriff des satzungsmäßigen Sitzes i.S.d. Art. 63 Abs. 1 lit. a EuGVVO nF/Art. 60 Abs. 1 lit. a EuGVVO aF setzt keine Verwaltungs- oder Geschäftstä-tigkeit am Ort des Satzungssitzes voraus. Es bedarf keines über den Register-tatbestand hinausgehenden realwirtschaftlichen Bezugs (Fortführung von BGH, Urteil vom 12. Juli 2011 – II ZR 28/10, BGHZ 190, 242 Rn. 19 ff.).

BGH URTEIL VI ZR 73/17 vom 14. November 2017

Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 (= Brüssel Ia-VO) Art. 63 Abs. 1 lit. a
Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (= Brüssel I-VO) Art. 60 Abs. 1 lit. a

BGH, Urteil vom 14. November 2017 – VI ZR 73/17 – OLG Celle
LG Hannover

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2017 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Wellner, die Richterinnen von Pentz und Müller und den Richter Dr. Allgayer
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 8. Dezember 2016 wird zurückge-wiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die klagende Krankenversicherung nimmt die beklagte Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) aus übergegangenem Recht vor dem Landge-richt Hannover auf Schadensersatz in Anspruch. Ein Versicherungsnehmer der Klägerin wurde im Jahr 2011 in Österreich bei einem Unfall verletzt, während er dort für die Beklagte Arbeiten an einer Tribüne durchführte.
Die Beklagte ist im Handelsregister des Amtsgerichts Hannover mit Sitz und Geschäftsanschrift in Hannover eingetragen. Am 24. Juni 2014 erfolgte folgende Eintragung:
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„Zweigniederlassung unter gleicher Firma in […] Meran/Italien, Geschäftsan-schrift: […] Meran/Italien“
Im Handelsregister Bozen/Italien ist zur Beklagten eingetragen:
„Gesellschaft gegründet aufgrund von Gesetzen eines anderen Staates
Rechtssitz: Hannover […] Germania
[…] Eintragungsdatum: 09/05/2014
[…] Zweitsitz n. 1
Eroeffnungsdatum 22/04/2014
Anschrift
Meran (BZ)
[…] Seit 01/10/2014 Verwaltungssitz“
Das Landgericht hat sich für unzuständig gehalten und die Klage als un-zulässig abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwie-sen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage als unzulässig weiter.
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Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist das Landgericht Hannover gemäß Art. 63 Abs. 1 EuGVVO, § 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO zuständig. Der sat-zungsmäßige Sitz der Beklagten befinde sich nach den beigezogenen Handels-registerakten in Hannover, lediglich der Verwaltungssitz sei nach Meran/Italien verlegt worden.
II.
Die Revision ist unbegründet. Insbesondere hat das Berufungsgericht zu-treffend angenommen, dass die deutschen Gerichte international zuständig sind, was ohne Einschränkung durch § 545 Abs. 2 ZPO auch im Revisions-rechtzug zu prüfen ist (Senat, Urteile vom 28. Juli 2015 – VI ZR 465/14, AG 2015, 820 Rn. 13; vom 17. März 2015 – VI ZR 11/14, NJW-RR 2015, 941 Rn. 14 mwN; BGH, Urteil vom 28. November 2002 – III ZR 102/02, BGHZ 153, 82, 84 ff.; vgl. zur Prüfung der örtlichen Zuständigkeit Senat, Versäumnisurteil vom 15. September 2015 – VI ZR 480/14, juris Rn. 14 ff.).
1. Die internationale Zuständigkeit richtet sich nach der EuGVVO.
Es kann offen bleiben, ob die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerken-nung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO aF) oder die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Par-laments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zustän-
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digkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO nF) anzuwenden ist.
Gemäß Art. 66 Abs. 1 EuGVVO nF ist diese Verordnung (nF) nur auf Verfahren anzuwenden, die am 10. Januar 2015 oder danach eingeleitet wor-den sind. Im vorliegenden Zusammenhang bedarf es keiner Entscheidung, ob unter Einleitung im Sinne dieser Vorschrift entsprechend Art. 32 Abs. 1 lit. a EuGVVO nF der Eingang der Klageschrift beim Landgericht – hier am 22. Dezember 2014 – oder entsprechend der lex fori deren Zustellung an die Beklagte – hier am 13. Januar 2015 – zu verstehen ist (siehe dazu MüKo-ZPO/Gottwald, 5. Aufl., Art. 66 Brüssel Ia-VO Rn. 4; Musielak/Voit/Stadler, ZPO 14. Aufl., Art. 66 EuGVVO Rn. 1; HK-ZPO/Dörner, 7. Aufl., Art. 66 EuGVVO Rn. 2; Rauscher/Staudinger, EuZPR/EuIPR 4. Aufl., Art. 66 Brüssel Ia-VO Rn. 2; siehe weiter Senat, Urteil vom 24. Juni 2014 – VI ZR 315/13, ZIP 2014, 1997 Rn. 14). Die jeweils relevanten Vorschriften der EuGVVO alter und neuer Fas-sung haben einen identischen Wortlaut und sind nicht unterschiedlich auszule-gen (vgl. allgemein zur Auslegungskontinuität Rauscher/Staudinger, EuZPR/EuIPR 4. Aufl., Brüssel Ia-VO Einleitung Rn. 35; HK-ZPO/Dörner, 7. Aufl., Vor EuGVVO Rn. 24).
2. Nach Art. 4 Abs. 1 EuGVVO nF/Art. 2 Abs. 1 EuGVVO aF sind Perso-nen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit grundsätzlich vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen. Gemäß Art. 63 Abs. 1 EuGVVO nF/Art. 60 Abs. 1 EuGVVO aF haben für die Anwendung der Verordnung Gesellschaften und ju-ristische Personen ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich ihr satzungsmäßi-ger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung befindet.
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a) Falls sich aus den Anknüpfungspunkten satzungsmäßiger Sitz, Haupt-verwaltung oder Hauptniederlassung unterschiedliche Gerichtsstände ergeben, bestehen diese alternativ und eröffnen dem Kläger ein Wahlrecht (BAG Urteil vom 23. Januar 2008 – 5 AZR 60/07, NJW 2008, 2797 Rn. 15; Ringe, IPrax 2007, 388, 389; Rauscher/Staudinger, EuZPR/EuIPR 4. Aufl., Art. 63 Brüssel Ia-VO Rn. 1; MüKo-ZPO/Gottwald, 5. Aufl., Brüssel Ia-VO Art. 4 Rn. 18, Art. 63 Rn. 1, 9, 11).
b) Die Anknüpfungspunkte satzungsmäßiger Sitz, Hauptverwaltung und Hauptniederlassung sind verordnungs-autonom in Anlehnung an die entspre-chenden Begriffe in Art. 54 Abs. 1 AEUV/Art. 48 Abs. 1 EGV auszulegen (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 – XII ZB 114/06, NJW-RR 2008, 551 Rn. 11; BAG, Urteile vom 24. September 2009 – 8 AZR 306/08, BAGE 132, 182 Rn. 31; vom 23. Januar 2008 – 5 AZR 60/07, NJW 2008, 2797 Rn. 16; Ringe, IPrax 2007, 388, 389; Rauscher/Staudinger, EuZPR/EuIPR 4. Aufl., Art. 63 Brüssel Ia-VO Rn. 1; MüKo-ZPO/Gottwald, 5. Aufl., Art. 63 Brüssel Ia-VO Rn. 1, 9).
„Satzungsmäßiger Sitz“ im Sinne von Art. 63 Abs. 1 lit. a EuGVVO nF/Art. 60 Abs. 1 lit. a EuGVVO aF ist der in der Gesellschaftssatzung genann-te (Ringe, IPrax 2007, 388, 389; Rauscher/Staudinger, EuZPR/EuIPR 4. Aufl., Art. 63 Brüssel Ia-VO Rn. 1; Callies/Ruffert, EUV/AEUV 5. Aufl., Art. 54 AEUV Rn. 17). Geltung und zulässigen Inhalt der Gesellschaftssatzung regelt insoweit das nationale Recht (vgl. EuGH, Urteile vom 29. November 2011 – C-371/10, Slg. 2011, I-12273, Rn. 26 – National Grid Indus; vom 16. Dezember 2008 – C-210/06, Slg. 2008, I-964, Rn. 104 ff. – Cartesio; vom 25. Oktober 2017 – C-106/16, Rn. 34, 43; Rauscher/Mankowski, EuZPR/EuIPR 4. Aufl., Art. 24 Brüs-sel Ia-VO Rn. 63).
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c) Der satzungsmäßige Sitz der Beklagten befindet sich nach den vom Berufungsgericht getroffenen und von der Revision nicht angegriffenen Fest-stellungen in Hannover.
Für die Bestimmung des satzungsmäßigen Sitzes ist es unerheblich, ob der Verwaltungssitz der Beklagten nach Meran/Italien verlegt wurde und ob die-se Verlegung zulässig war. Es kann daher insbesondere offen bleiben, ob die Verlegung des Verwaltungssitzes in das Ausland und Trennung vom inländi-schen Satzungssitz seit der durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2026) erfolgten Neufassung des § 4a GmbHG und Streichung des bisherigen Absatzes 2 dieser Vorschrift zulässig ist (bejahend unter Hinweis auf BT-Drs. 16/6140, S. 29/BR-Drs. 354/07, S. 65 etwa Bayer/Schmidt, ZHR 173 [2009], 735; Hermanns, MittBayNot 2016, 297; Scholz/Emmerich, GmbHG 11. Aufl., § 4a Rn. 28 f.; Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG 19. Aufl., § 4a Rn. 15; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG 21. Aufl., § 4a Rn. 11; Mi-chalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG 3. Aufl., § 4a Rn. 13 ff.; MüKo-GmbHG/Mayer, 2. Aufl., § 4a Rn. 9 ff., 68 jeweils mwN auch zu abw. Ansichten; aA etwa Werner, GmbHR 2009, 191, 196).
d) Entgegen der Auffassung der Revision ist es unerheblich, ob die Be-klagte in Deutschland unternehmerische Tätigkeit ausübt, Büroräume oder ei-nen in irgendeiner Weise eingerichteten Gewerbebetrieb unterhält. Art. 63 Abs. 1 lit. a EuGVVO nF/Art. 60 Abs. 1 lit. a EuGVVO aF ist nicht einschrän-kend auszulegen.
aa) Nach Ansicht der Revision erfordert die Eröffnung der Gerichtszu-ständigkeit am Satzungssitz mit Blick auf die geschützten Interessen der Be-klagten jedenfalls ein Mindestmaß an Unternehmenstätigkeit am Satzungssitz,
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das vom Verordnungsgeber ersichtlich für den Regelfall vorausgesetzt, aber durch den bloßen Unterhalt einer „Briefkastenfirma“ nicht erfüllt werde. Der blo-ße Umstand, dass die Beklagte allein aus Gründen des nationalen materiellen Gesellschaftsrechts gezwungen sei, einen deutschen Satzungssitz zu behalten, wenn sie ihre Tätigkeit unter Beibehaltung ihrer Rechtsform in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verlagern und damit von ihrer Niederlas-sungsfreiheit Gebrauch machen wolle, rechtfertige es nicht, nunmehr auch den Beklagtengerichtsstand an einen bloß auf dem Papier bestehenden Satzungs-sitz anzuknüpfen. Dem Vorteil des Klägers, der nicht nur das ob, sondern dar-über hinaus auch den Zeitpunkt und die Art des Klageangriffs bestimmen kön-ne, entspreche durch die Bestimmung eines allgemeinen Gerichtsstandes die Vergünstigung des Beklagten, den ihm ohne und meist gegen seinen Willen aufgezwungenen Rechtsstreit nicht auch noch unter zusätzlichen Erschwerun-gen an einem auswärtigen Gericht führen zu müssen. Bei Beschränkung der „Tätigkeit“ der Gesellschaft auf den bloßen Unterhalt einer Briefkastenadresse könne gerade nicht angenommen werden, das Gericht am „Satzungssitz“ sei am besten in der Lage, über Ansprüche gegen die Gesellschaft zu entscheiden.
bb) Es gibt keinen Gesichtspunkt, der für eine derartige einschränkende Auslegung spricht (siehe zu den Auslegungskriterien EuGH, Urteil vom 23. April 2009 – C-533/07, Slg. 2009, I-3369 Rn. 20 mwN – Falco Privatstiftung).
(1) Der Wortlaut des Art. 63 Abs. 1 lit. a EuGVVO nF/Art. 60 Abs. 1 lit. a EuGVVO aF und die Systematik der Norm sprechen dagegen, dass ein „sat-zungsmäßiger Sitz“ im Sinne von Art. 63 Abs. 1 lit. a EuGVVO nF/Art. 60 Abs. 1 lit. a EuGVVO aF – außer der satzungsmäßigen Regelung – eine Verwaltungs- oder Geschäftstätigkeit an diesem Ort erfordert. Solche Tätigkeiten sollen er-sichtlich nur von Bedeutung sein, soweit sie eine Hauptverwaltung (Art. 63 Abs. 1 lit. b EuGVVO nF/Art. 60 Abs. 1 lit. b EuGVVO aF) oder eine Hauptniederlas-
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sung (Art. 63 Abs. 1 lit. c EuGVVO nF/Art. 60 Abs. 1 lit. c EuGVVO aF) begrün-den (vgl. zur Hauptverwaltung BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 – XII ZB 114/06, NJW-RR 2008, 551 Rn. 11; BAG, Urteile vom 24. September 2009 – 8 AZR 306/08, BAGE 132, 182 Rn. 31; vom 23. Januar 2008 – 5 AZR 60/07, NJW 2008, 2797 Rn. 16; zur Hauptniederlassung BAG, Urteil vom 24. September 2009 – 8 AZR 306/08, BAGE 132, 182 Rn. 34).
Abweichendes ergibt sich nicht aus dem Hinweis der Revision auf den Grundsatz des Wohnsitzgerichtsstands. Art. 4 Abs. 1 EuGVVO nF/Art. 2 Abs. 1 EuGVVO aF knüpft bei natürlichen Personen nicht an den gewöhnlichen Auf-enthalt oder Wohnort an, sondern an das formale Kriterium des Wohnsitzes, der gemäß Art. 62 EuGVVO nF/Art. 59 EuGVVO nach nationalem Recht zu be-stimmen ist (vgl. dazu MüKo-ZPO/Gottwald, 5. Aufl., Brüssel Ia-VO Art. 4 Rn. 2, Art. 62 Rn. 2, 4). Dem entspricht das formale Kriterium des satzungsmäßigen Sitzes bei Gesellschaften und juristischen Personen in Art. 63 Abs. 1 lit. a EuGVVO nF/Art. 60 Abs. 1 lit. a EuGVVO aF.
(2) Die Erwägungsgründe der EuGVVO sprechen ebenfalls gegen eine einschränkende Auslegung. Danach sollen die Zuständigkeitsvorschriften in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten (Erwägungsgründe EuGVVO aF (11) Satz 1; EuGVVO nF (15) Satz 1; siehe weiter EuGH, Urteile vom 23. April 2009 – C-533/07, Slg. 2009, I-3369 Rn. 21 f. mwN – Falco Privatstiftung; vom 14. Juli 2016 – C-196/15, NJW 2016, 3078 Rn. 16). Der Sitz juristischer Personen wurde in den Verord-nungen selbst definiert, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden (Erwägungsgründe EuGVVO aF (11) Satz 2; EuGVVO nF (15) Satz 3). Das Erfordernis eines Mindestmaßes von Verwaltungs- und/oder Geschäftstätigkeit am Satzungssitz würde die vom Ver-ordnungsgeber gewollte Vorhersehbarkeit und Transparenz einschränken.
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(3) Sowohl die differenzierenden Anknüpfungspunkte des Art. 63 Abs. 1 EuGVVO nF/Art. 60 Abs. 1 EuGVVO aF als auch das Abstellen auf das Kriteri-um des Satzungssitzes ohne weitere Voraussetzungen sind bereits im Primär-recht angelegt (Art. 54 Abs. 1 AEUV/Art. 48 Abs. 1 EGV).
(4) Schließlich ist eine einschränkende Auslegung nicht deshalb geboten, weil die Beklagte ihre Rechtsform nur beibehalten kann, wenn sie ihren Sat-zungssitz in Deutschland hat.
Gemäß § 4a GmbHG (in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen [MoMiG] vom 23. Oktober 2008, BGBl. I S. 2026) ist Sitz der Gesellschaft der Ort im Inland, den der Gesellschaftsvertrag bestimmt. Danach kann der Satzungssitz nur in-nerhalb Deutschlands – jedenfalls grundsätzlich – frei gewählt und verlegt wer-den (vgl. Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG 19. Aufl., § 4a Rn. 5, 7, 17; Baum-bach/Hueck/Fastrich, GmbHG 21. Aufl., § 4a Rn. 3 f., 8 ff.; Meckbach, NZG 2014, 526).
Diese Regelung ist vereinbar mit der Niederlassungsfreiheit (Art. 49, Art. 54 Abs. 1 AEUV). Ein Mitgliedstaat der Europäischen Union kann sowohl die Voraussetzungen bestimmen, die eine Gesellschaft erfüllen muss, um als nach seinem innerstaatlichen Recht gegründet angesehen zu werden und damit in den Genuss der Niederlassungsfreiheit gelangen zu können, als auch die Voraussetzungen, die für den Erhalt dieser Eigenschaft verlangt werden. Ein Mitgliedstaat hat daher die Möglichkeit, einer nach seiner Rechtsordnung ge-gründeten Gesellschaft Beschränkungen hinsichtlich der Verlegung ihres Sitzes aus seinem Hoheitsgebiet aufzuerlegen, damit sie die ihr nach dem Recht die-ses Staates zuerkannte Rechtspersönlichkeit behalten kann (EuGH, Urteile vom 29. November 2011 – C-371/10, Slg. 2011, I-12273, Rn. 27 – National Grid
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Indus; vom 16. Dezember 2008 – C-210/06, Slg. 2008, I-964, Rn. 110 – Carte-sio).
Danach ist es auch unbedenklich, den Satzungssitz unabhängig von ei-ner dort ausgeübten Verwaltungs- oder Geschäftstätigkeit zum Anknüpfungs-punkt für einen Gerichtsstand zu machen. Es bedarf keines über den Register-tatbestand hinausgehenden realwirtschaftlichen Bezugs (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2011 – II ZR 28/10, BGHZ 190, 242 Rn. 19 ff. zu Art. 22 Nr. 2 EuGVVO aF bei Auslandsgesellschaften).
cc) Es bedarf keiner Vorabentscheidung des Gerichtshofs gemäß Art. 267 Abs. 1 und 3 AEUV. Die letztinstanzlichen Gerichte der Mitgliedstaaten sind nicht zur Vorlage verpflichtet, wenn die richtige Anwendung des Gemein-schaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum mehr bleibt (EuGH, Urteile vom 6. Oktober 1982 – C-283/81, Slg. 1982,
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3415, Rn. 13 ff. – Cilfit; vom 6. Dezember 2005 – C-461/03, Slg. 2005, I-10513, Rn. 16 – Gaston Schul Douane-Expediteur). Dies ist vorliegend der Fall.
Galke Wellner von Pentz
Müller Allgayer
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 18.05.2016 – 6 O 342/14 –
OLG Celle, Entscheidung vom 08.12.2016 – 5 U 94/16

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