Vertriebsrecht in der Schweiz
Das Vertriebsrecht in der Schweiz umfasst besondere Normen im Rahmen des Obligationenrechts der Schweiz im Zusammenhang mit der Organisation des Absates von Waren und Dienstleistungen in der Schweiz oder ausserhalb der Schweiz nach schweizerischem Recht. Ein Lieferant kann seine Waren und Dienstleistungen direkt oder durch Absatzmittlern vertreiben. Der Direktvertrieb und der Vertrieb durch Handelsvertreter, Agenten oder Vertragshändler bildet die Grundlage des schweizerischem Vertriebsrechts.
Schweizerisches Handelsvertreterrecht
Das schweizerische Handelsvertreterrecht ist im Obligationenrecht normiert. Dort definiert Art 418a OR den Agenturvertrag der Schweiz.
Agent ist, wer die Verpflichtung übernimmt, dauernd für einen oder mehrere Auftraggeber Geschäfte zu vermitteln oder in ihrem Namen und für ihre Rechnung abzuschliessen, ohne zu den Auftraggebern in einem Arbeitsverhältnis zu stehen.
Dementsprechend kennt das schweizer Vertriebsrecht den Vermittlungsagent, ohne Vertretungsmacht, und den Abschlussagent.
Die Regelungen des Agenturvertrages und Vertragsfreiheit nach dem Recht der Schweiz
Die Vorschriften über das Delcredere, das Konkurrenzverbot und die Auflösung des Vertrages aus wichtigen Gründen dürfen nicht zum Nachteil des Agenten wegbedungen werden. Diese Vorschriften sind der Vertragsfreiheit nicht zugänglich, sondern zwingendes schweizer Recht.
Die Art. 418a–418v OR für den Agenturvertrag verweisen zudem auf die Regelungen des Mäkler-, Kommissions- und Auftragsrechts.
Der Agent hat die Interessen des Auftraggebers mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes zu wahren. Der Agent/ Handelsvertreter darf, falls es nicht schriftlich anders vereinbart ist, auch für andere Auftraggeber tätig sein. Eine Verpflichtung, für die Zahlung oder anderweitige Erfüllung der Verbindlichkeiten des Kunden einzustehen oder die Kosten der Einbringung von Forderungen ganz oder teilweise zu tragen, kann er nur in schriftlicher Form übernehmen.
Der Agent erhält dadurch einen unabdingbaren Anspruch auf ein angemessenes besonderes Entgelt.
Geheimhaltungsverpflichtung des Handelsvertreters nach schweizer Recht
Der Agent oder Handelsvertreter darf Geschäftsgeheimnisse des Auftraggebers, die ihm anvertraut oder auf Grund des Agenturverhältnisses bekannt geworden sind, auch nach Beendigung des Vertrages nach schweizer Recht nicht verwerten oder anderen mitteilen.
Nachvertragliches Konkurrenzverbot/ Wettbewerbsverbot nach schweizer Recht
Auf ein vertragliches Konkurrenzverbot sind die Bestimmungen über den Dienstvertrag entsprechend anwendbar. Ist ein Konkurrenzverbot vereinbart, so hat der Agent bei Auflösung des Vertrages einen unabdingbaren Anspruch auf ein angemessenes besonderes Entgelt.
Das Konkurrenzverbot muss besonders vereinbart werden.
Vertretungsbefugnis des schweizer Handelsvertreters
Der Handelsvertreter gilt nur als ermächtigt, Geschäfte zu vermitteln, Mängelrügen und andere Erklärungen, durch die der Kunde sein Recht aus mangelhafter Leistung des Auftraggebers geltend macht oder sich vorbehält, entgegenzunehmen und die dem Auftraggeber zustehenden Rechte auf Sicherstellung des Beweises geltend zu machen.
Dagegen gilt er nicht als ermächtigt, Zahlungen entgegenzunehmen, Zahlungsfristen zu gewähren oder sonstige Änderungen des Vertrages mit den Kunden zu vereinbaren.
Die Vertretungsbefugnis kann abweichend vereinbart werden.
Pflichten des Auftraggebers des Handelsvertreters
Der Auftraggeber hat alles zu tun, um dem Agenten die Ausübung einer erfolgreichen Tätigkeit zu ermöglichen. Er hat ihm insbesondere die nötigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Er hat den Agenten unverzüglich zu benachrichtigen, wenn er voraussieht, dass Geschäfte nur in erheblich geringerem Umfange, als vereinbart oder nach den Umständen zu erwarten ist, abgeschlossen werden können oder sollen.
Ist dem Agenten ein bestimmtes Gebiet oder ein bestimmter Kundenkreis zugewiesen, so ist er, soweit nicht schriftlich etwas anderes vereinbart wurde, nach schweizer Recht unter Ausschluss anderer Personen beauftragt.
Der Agent hat Anspruch auf die vereinbarte oder übliche Vermittlungs- oder Abschlussprovision für alle Geschäfte, die er während des Agenturverhältnisses vermittelt oder abgeschlossen hat, sowie, mangels gegenteiliger schriftlicher Abrede, für solche Geschäfte, die während des Agenturverhältnisses ohne seine Mitwirkung vom Auftraggeber abgeschlossen werden, sofern er den Dritten als Kunden für Geschäfte dieser Art geworben hat.
Der Agent, dem ein bestimmtes Gebiet oder ein bestimmter Kundenkreis ausschliesslich zugewiesen ist, hat Anspruch auf die vereinbarte oder, mangels Abrede, auf die übliche Provision für alle Geschäfte, die mit Kunden dieses Gebietes oder Kundenkreises während des Agenturverhältnisses abgeschlossen werden.
Soweit es nicht anders schriftlich vereinbart ist, entsteht der Anspruch auf die Provision, sobald das Geschäft mit dem Kunden rechtsgültig abgeschlossen ist.
Der Anspruch des Agenten auf Provision fällt nachträglich insoweit dahin, als die Ausführung eines abgeschlossenen Geschäftes aus einem vom Auftraggeber nicht zu vertretenden Grunde unterbleibt. Er fällt hingegen gänzlich dahin, wenn die Gegenleistung für die vom Auftraggeber bereits erbrachten Leistungen ganz oder zu einem so grossen Teil unterbleibt, dass dem Auftraggeber die Bezahlung einer Provision nicht zugemutet werden kann.
Soweit nicht etwas anderes vereinbart oder üblich ist, wird die Provision auf das Ende des Kalenderhalbjahres, in dem das Geschäft abgeschlossen wurde, im Versicherungsgeschäft jedoch nach Massgabe der Bezahlung der ersten Jahresprämie fällig.
Ist der Agent nicht durch schriftliche Abrede zur Aufstellung einer Provisionsabrechnung verpflichtet, so hat ihm der Auftraggeber auf jeden Fälligkeitstermin eine schriftliche Abrechnung unter Angabe der provisionspflichtigen Geschäfte zu übergeben. Auf Verlangen ist dem Agenten Einsicht in die für die Abrechnung massgebenden Bücher und Belege zu gewähren. Auf dieses Recht kann der Agent nicht zum voraus verzichten.
Retentionsrecht nach schweizer Recht
Zur Sicherung der fälligen Ansprüche aus dem Agenturverhältnis, bei Zahlungsunfähigkeit des Auftraggebers auch der nicht fälligen Ansprüche, hat der Agentnach schweizer Recht an den beweglichen Sachen und Wertpapieren, die er auf Grund des Agenturverhältnisses besitzt, sowie an den kraft einer Inkassovollmacht entgegengenommenen Zahlungen Dritter ein Retentionsrecht, auf das er nicht zum voraus verzichten kann.
An Preistarifen und Kundenverzeichnissen kann das Retentionsrecht nicht ausgeübt werden.
Kündigung des schweizer Handelsvertretervertrages
Jeder Handelsvertretervertrag/ Agenturvertrag kann nach schweizerischem Recht unter bestimmten Voraussetzungen beendet oder gekündigt werden.
Ist der Agenturvertrag auf eine bestimmte Zeit abgeschlossen, oder geht eine solche aus seinem Zweck hervor, so endigt er ohne Kündigung mit dem Ablauf dieser Zeit. Wird ein auf eine bestimmte Zeit abgeschlossenes Agenturverhältnis nach Ablauf dieser Zeit für beide Teile stillschweigend fortgesetzt, so gilt der Vertrag als für die gleiche Zeit erneuert, jedoch höchstens für ein Jahr. Hat der Auflösung des Vertrages eine Kündigung vorauszugehen, so gilt ihre beiderseitige Unterlassung als Erneuerung des Vertrages.
Ist ein Agenturvertrag nach schweizer Recht nicht auf bestimmte Zeit abgeschlossen, und geht eine solche auch nicht aus seinem Zwecke hervor, so kann er im ersten Jahr der Vertragsdauer beiderseits auf das Ende des der Kündigung folgenden Kalendermonates gekündigt werden. Die Vereinbarung einer kürzeren Kündigungsfrist bedarf der schriftlichen Form.
Wenn das Vertragsverhältnis mindestens ein Jahr gedauert hat, kann es mit einer Kündigungsfrist von zwei Monaten auf das Ende eines Kalendervierteljahres gekündigt werden. Es kann jedoch eine längere Kündigungsfrist oder ein anderer Endtermin vereinbart werden.
Für Auftraggeber und Agenten dürfen keine verschiedenen Kündigungsfristen vereinbart werden.
Aus wichtigen Gründen kann sowohl der Auftraggeber als auch der Agent jederzeit den Vertrag sofort auflösen. Die Bestimmungen über den Dienstvertrag sind entsprechend anwendbar.
Das Agenturverhältnis erlischt durch den Tod und durch den Eintritt der Handlungsunfähigkeit des Agenten sowie durch den Konkurs des Auftraggebers. Durch den Tod des Auftraggebers erlischt das Agenturverhältnis, wenn der Auftrag wesentlich mit Rücksicht auf dessen Person eingegangen worden ist.
Jede Vertragspartei hat auf den Zeitpunkt der Beendigung des Agenturverhältnisses der andern alles herauszugeben, was sie von ihr für die Dauer des Vertrages oder von Dritten für ihre Rechnung erhalten hat. Vorbehalten bleiben die Retentionsrechte der Vertragsparteien.
Ausgleichsanspruch/ Kundschaftsentschädigung in der Schweiz
Grundsätzlich steht dem Handelsvertreter/ Agenten ein Ausgleichsanspruch (Kundschaftsentschädigung) in der Schweiz zu.
Für Nachbestellungen eines vom Agenten während des Agenturverhältnisses geworbenen Kunden besteht, falls nicht etwas anderes vereinbart oder üblich ist, ein Anspruch auf Provision nur, wenn die Bestellungen vor Beendigung des Agenturvertrages eingelaufen sind.
Mit der Beendigung des Agenturverhältnisses werden sämtliche Ansprüche des Agenten auf Provision oder Ersatz fällig.
Für Geschäfte, die ganz oder teilweise erst nach Beendigung des Agenturverhältnisses zu erfüllen sind, kann eine spätere Fälligkeit des Provisionsanspruches schriftlich vereinbart werden.
Hat der Agent durch seine Tätigkeit den Kundenkreis des Auftraggebers wesentlich erweitert, und erwachsen diesem oder seinem Rechtsnachfolger aus der Geschäftsverbindung mit der geworbenen Kundschaft auch nach Auflösung des Agenturverhältnisses erhebliche Vorteile, so haben der Agent oder seine Erben, soweit es nicht unbillig ist, einen unabdingbaren Anspruch auf eine angemessene Entschädigung.
Dieser Anspruch beträgt höchstens einen Nettojahresverdienst aus diesem Vertragsverhältnis, berechnet nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre oder, wenn das Verhältnis nicht so lange gedauert hat, nach demjenigen der ganzen Vertragsdauer.
Kein Anspruch besteht, wenn das Agenturverhältnis aus einem Grund aufgelöst worden ist, den der Agent zu vertreten hat.
Schweizer Vertragshändlerrecht
Bei einem schweizer Vertragshändlervertrag nach schweizer Vertragshändlerrecht kauft der Vertragshändler vom Vertragslieferanten Waren und Dienstleistungen. Sodann vertreibt der Vertragshändler die Waren und Dienstleistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung.
Vertragshändlerverträge können als nicht exklusiver, einfacher Vertragshändlervertrag ausgestaltet sein. Besondere Bedeutung hat der Alleinvertriebsvertrag in der Schweiz, also der exklusive Vertragshändlervertrag. Zudem spielt im Rahmen eines selektiven Vertriebssystem der Selektivvertriebsvertrag, der den Zweitvertrag an bestimmte Selektionen bindet, eine erhebliche Rolle.
Der Vertragshändlervertrag nach schweizerischem Recht ist ein Vertrag sui generis mit kaufrechtlichen und agenturrechtlichen Vertragselementen.
Vorschriften des Agenturrecht/ Handelsvertreterrechts sind – soweit rechtlich möglich – direkt oder analog anwendbar. Dies gilt auch teils für die nicht abdingbaren Teile des Handelsvertreterrechts. Im übrigen können die Parteien den Vertragshändlervertrag weitgehend frei gestalten.
Wegen kartellrechtlicher Vertikalbindungsverbote darf der Lieferant im wesentlichen keinen Einfluss auf die Vertragsgestaltung des Vertragshändlers mit dem Kunden des Vertragshändlers nehmen. So sind Mindestpreise nicht möglich (wohl aber Höchstpreise).